190E W201 W124 Reserveradmulde austauschen

190E W201 W124 Reserveradmulde austauschen

Eine schöne Arbeit die man auch nicht alle Tage macht, und das obwohl relativ viele Fahrzeuge an dieser Stelle vom Rost befallen sein dürften, und dies baureihenübergreifend bei W124 W201 W123 W126 und so weiter:

Die Reserveradmulde

Am häufigsten nagt der Rost am verschweissten Abschlepphaken unter der Dichtmasse und arbeitet sich dann weiter durch. Der Mercedes typische Unterbodenschutz aus den 80er und 90er Jahren bringt sich zudem dahingehend ein die voranschreitenden Schäden erst sehr spät sichtbar werden. Und eben einen solchen Fall haben wir nun, die Reserveradmulde ist nach innen hin um den Abschlepphaken durchgerostet:

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Will man diesen Rostherd nun ausheben hat man nicht viele Möglichkeiten, genauer gesagt sind es nur zwei. Möglichkeit eins besteht darin die befallenen Partien herauszutrennen und ein Reparaturblech selbst anzufertigen. Dies ist extrem mühsam, Mercedes hat alles Zentimeter-dick in Dichtmasse gehüllt die erst entfernt werden müsste. Dann ist zu bedenken das die Form der Mulde mit ihren Verstärkungssicken nicht in 5 Minuten nachgeformt ist, man kann also davon ausgehen das die Reparaturstelle am Ende (wenn auch unter dem Ersatzrad versteckt) zu sehen sein wird. Schlussendlich sollte man ausserdem bedenken das der Abschlepphaken das ganze Fahrzeuggewicht zu tragen hat, hier schnell einen Blechlappen drauf zutackern ist alles andere als fachgerecht.

In der Vorschau ist schon zu sehen gewesen das wir bei Erik´s 190E 16V keine partielle Reparatur vorgenommen haben sondern ein originales Reparaturblech von Mercedes verwendet wurde.Die Gründe hierfür sind schnell erklärt. Zum einen wird der Wagen gerade technisch auf links gedreht, die Karosserie sollte dem Rechnung tragen. Wer will schon ein technisch exzellentes Auto bei dem der Unterboden wie zusammen genagelt wirkt? Und zum anderen ist ein 190E 16V nun mal kein normaler Gebrauchtwagen mehr sondern zur Freude aller Eigner eines solchen Autos eben schon ein sehr wertvolles Gefährt im fünfstelligen Bereich. Das der Besitzer zudem einen ziemlich grossen rostigen Nagel im Kopf hat wenn es um seinen 16V geht macht dann noch jegliche Gedanken über Kompromisse im vornerein eh obsolet.

Das bedeutet allerdings das erhebliche Vorbereitungen zu treffen sind um die Reserveradmulde auszutauschen. Der 16V steht derzeit ohne Antriebsstrang und weitestgehend nacktem Unterboden auf Unterstellböcken was die Arbeit stark vereinfacht. Ist dies nicht gegeben sieht die Sache nämlich gleich ganz anders aus. Um am W201 generell die Mulde zu tauschen müssen mindestens die Auspuffanlage sowie ggf. die hintere Bremse mitsamt ihren Leitungen ausgebaut werden um adequat arbeiten zu können. Ist auch noch eine Niveauregulierung oder das einstellbare Fahrwerk (im Falle eines 16V) verbaut müssen auch diese evakuiert werden, und das mitsamt den Druckspeichern, umgangssprachlich Bulleneier genannt. Diese sind direkt an der Reserveradmulde verschraubt.

Ist alles freigelegt kann es losgehen, per Drahtzopf und Flex legen wir alle Schweisspunkte frei und entfernen die Dichtmasse und den Unterbodenschutz auf der Unterseite. Beim durchzählen ergaben sich knappe 90 Schweisspunkte die es auszubohren gilt. Hierfür verwenden wir einen 8mm Schweisspunktbohrer. Diese haben idealerweise eine Führung an der Spitze sodass kein ankörnen der Schweisspunkte notwendig ist. Mit geringen Umdrehungen fräsen wir dann alle Punkte auf, von unten auch diese im Kofferraum. Auch wenn es reizt die Bohrmaschine auf Vollgas laufen zu lassen, schneller und besser geht es so leider nicht. Zudem besteht das Risiko das ihr nicht nur den Schweisspunkt ausbohrt sondern gleich das intakte Blech darunter mit dazu. Hierüber freut sich dann derjenige der die neue Wanne einschweissen darf dann ganz besonders! Erik war aber sehr zärtlich und so gab es nur 5 Löcher die zu verschliessen waren.

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Da der gerade gerade angesprochene Herr an seiner Endtopfhalterung braune Stellen entdeckt hat wurde auch dieser noch schnell entfernt. Diesen kann man nur sauber instandsetzen kann wenn eben keine Reserveradmulde verbaut ist. Nachdem die Neupreisliste konsultiert war und einen Preis von knappen 100€ für den Halter im Raum stand sah der alte garnicht mehr so schlecht aus wie gedacht. Entrostet und neu lackiert wanderte das Teil dann wieder an seinen angestammten Platz. Ausserdem konnte so ein Baustopp von min. 2 Tagen umgangen werden.

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Zwischenzeitlich wurde die neue Mulde vorbereitet und die Löcher für die Schweissungen gestanzt. Bei Reparaturblechen kann man das gerne mal mit der Bohrmaschine machen. Bei knappen 100 Löchern musste eine Lochzange herhalten. Die Löcher von der alten Mulde wurden übertragen, im Anschluss musste dann nur noch die KTL Beschichtung entfernt werden um einen guten Stromfluss sicherzustellen.

Nun geht es an das Anpassen des Neuteils welche bei einem Originalteil meist schnell von der Hand geht. Eine knappe Viertelstunde zum Positionieren und es konnte los gehen. Zuerst heften wir die Wanne nur mit ein paar wenigen Punkten an um die Stützen unterm Wagen entfernen zu können. Wir brauchen diese um die beiden Blechpartien eng aneinander zu pressen. Nun folgten knappe 100 Schweissungen welche teilweise über Kopf zu erledigen waren was erfahrungsgemäß weniger Spass macht. Der Funkenflug & Schlacke ist alles andere als angenehm. Wichtig hierbei auf eventuelle Brandherde zu achten, oftmals fangen Dichtmassen oder altes Hohlraumwachs an zu brennen. In solchen Fällen müssen wir sofort mit Druckluft oder feuchten Lappen dafür sorgen das die Flammen nicht grösser werden. Schliesslich steht der Tank direkt vor uns. A propos, da der Proband in unserem Falle ohne Spritleitungen und gefüllten Tank bearbeitet wurde waren hier keine weiteren Vorkehrungen in Richtung Brandschutz vorzunehmen, dennoch sollte jedem klar sein auf was er sich hier einlässt. Bilder wie die aus Heuchlingen 2013 braucht keiner:

Werkstattbrand aufgrund von Schweissarbeiten?

Sind alle Löcher zugeschweisst und die Wanne an Ort und Stelle ist das schlimmste bereits hinter einem. Zur Freude aller Nachbarn müssen jetzt aber noch die Schweisspunkte verfeilt werden.

IMG_2742Flex und Druckluftbandfeile sind hierfür das Mittel der Wahl, Körnung bei beiden 60-80. Diese Arbeit ist relativ schnell zu erledigen da die Schweisspunkte nun noch ohne Schutz gegen äussere Einflüsse, hauptsächlich Luftfeuchtigkeit sind. Hierfür verwenden wir Brantho Korrux Nitrofest sowie Owatrol-Öl und etwas Verdünnung, Mischungsverhältnis nach Bauchgefühl. Die Konsistenz muss so flüssig sein dass die Mixtur bis in die letzten Ecken der Falze laufen kann, sollte allerdings noch deckend sein. Um häßliche Farbnasen am Unterboden zu vermeiden kleben wir die Falze untenherum ab. Dann lassen wir die Mischung hineinlaufen. Der Vorteil von Branthos Nitrofest ist das es sehr schnell durchtrocknet, daher können mehrere Durchläufe an einem Tag gemacht werden. Im übrigen machen wir uns ein putziges physikalisches Phänomen zu Nutze, die Kapillarwirkung. Ich bin leider nicht im Stande sie aus wissenschaftlichen Gesichtpunkten zu erklären, für uns wichtig ist das Falze unsere schöne Mixtur förmlich aufsaugen. Nicht übertreiben und lieber 2-3 mal als 1 mal und zuviel. Spätestens beim dritten Anlauf wird man feststellen das der Falz förmlich „gesättigt“ ist, erst jetzt sind wir mit der Arbeit fertig!

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Warum der ganze Aufwand? Einfach mal vorstellen was passiert wenn sich eine Ladung H2O den weg zwischen die Bleche sucht!

Dies ist im übrigen auch der Grund warum bei solchen Arbeiten Flussmittel für Zinn oder gar Rostumwandler nichts verloren haben, garnichts, wirklich überhaupt nichts! Leider liesst man in vielen Foren noch von Menschen die Fertan & Co auf die Bleche schmieren und danach alles fleissig mit Wasser neutralisieren. Gelangt Säure oder Flussmittel in einen Falz kann man zu 99% davon ausgehen bald nochmal schweissen zu dürfen, denn beide sind hygroskopisch! Leider wieder ein Griff in die Kiste der toten Sprachen, diesmal aber ganz einfach. Schnell übersetzt mit „Feuchtigkeit anziehend“, in unserem Falle also Luftfeuchtigkeit. Diese wird durch die Form der beiden Bleche förmlich angezogen. In Falzen (auch sehr gern gesehen: Schweller!) lassen sich Säuren und Flussmittel nicht vollständig entfernen, hier also kein Risiko eingehen.

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Als zusätzlichen Schutz vor Steinschlägen und eben Feuchtigkeit wird die neue Reserveradmulde dann noch mit streichbarer Karosseriedichtmasse um die Falze herum versiegelt. Nun kann sich noch ein Lackierer austoben und das ganze in Unterbodenschutz und Wagenfarbe hüllen…

Alles in allem dürften die Vorbereitungen knappe 6-9 Stunden bei einem zerlegten Auto in Anspruch nehmen. Je nachdem wie geübt man ist und unter welchen Vorraussetzungen gearbeitet wird. Die Hauptarbeit ist in 2 Stunden relativ schnell gemacht. Die Nacharbeiten inkl Lackierung dürften nochmal 5-8 Stunden in Anspruch nehmen. Auch hier abhängig von lokalen Begebenheiten und Ausstattung. Dies dürfte auch der Grund sein warum derartige Arbeiten nur selten an den Baureihen W124 & Co ausgeführt werden. Die meisten Autos dürften aus zeitwerttechnischen Gründen nur eine Reparaturlösung geniessen.

Wir hoffen die Bilder helfen dem einen oder anderen bei der Bewertung eigener Reparaturen oder zur Kosteneinschätzung in einem Fachbetrieb! Über Kommentare oder Feedback jeglicher Art freuen wir uns sehr!

 

 

 

 

 

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