Neulackierung M104 Ventildeckel
Solange das Cabrio noch steht und auf besseres Wetter wartet, kann man sich schön damit beschäftigen auch in den Ecken sauber zu machen, die man sonst nur selten erreicht. Beim Cabrio fällt schnell auf, dass die beiden Vorbesitzer selten bei schlechtem Wetter unterwegs waren, wirklich schmutzig ist im Motorraum eigentlich nichts. Dennoch bleiben bei knapp 200.000km auch hier die Alterserscheinungen nicht aus.
Das Problem
Wie bei allen Motoren aus dieser Zeit löst sich irgendwann die Beschichtung der Ventildeckel, bedingt durch die ständige Hitze und den Beschuss mit Ölen und ggf. auch Benzin. Im Gegensatz zu den M102/M103 Motoren scheinen die Ventildeckel der M104 Motoren im Werk eine Nasslackierung bekommen zu haben, die sich speziell an den Löcher der Verschraubungen und an besonders heißen Stellen irgendwann löst. Ist das der Fall lässt sich nichts mehr ausbessern, der Lack muss runter.
Wir haben in der Vergangenheit schon einige Ventildeckel restauriert und meistens auf Pulverbeschichtungen zurück gegriffen. Hierfür wurden die Deckel vorher mit Sand oder Korundperlen gestrahlt. Versuche, bei denen M104 Deckel gestrahlt wurden, brachten keine guten Ergebnisse. Die Deckel sind um einiges aufwendiger durch die Zündkabelführung in der Mitte, die Stege waren einfach zu empfindlich. Zudem treten bei hohen Laufleistungen vermehrt Lunker im Aluminum zutage und das Material versprödet zusehendst. Durch das Strahlen sahen die Deckel nicht nur furchtbar aus, die Oberflächen wieder in einen lackierfähigen Zustand zu bekommen dauerte dadurch ewig.
Also was tun?
All das sprach also eher für eine schonende Entlackung. Hier sind mehrere Wege möglich, die chemische Entlackung im Tauchbad zum Beispiel. Hierfür fehlten aber die Erfahrungen, also haben wir uns auf die Suche nach Möglichkeiten gemacht wie dies in Eigenregie zu erledigen ist. Nach einer ausgiebigen Rechereche im Web fiel uns der Abbeizer von Grüneck ins Auge welcher von vielen Leidensgenossen zum Entlacken verwendet wird. Also bestellt und ausprobiert, zuerst testweise.
Den Ventildeckel damit behandelt und für um die 20 Grad in der Garage gesorgt, einen Tag gewartet und am nächsten Tag:
Läuft! Also den Deckel ausbauen und komplett einpacken mit Abbeizer. Die Wirkung ist übrigens sofort hörbar, es zischt merklich. Um die Inhaltssstoffe so lange wie möglich an Ort und Stelle zu halten soll übrigens eine Folie zum Abdecken hilfreich sein.
Wenig fotogen, aber eben wirksam:
Wieder 24 Stunden später sieht das Ganze dann so aus:
Sobald die Paste ihre weiße Farbe verliert und durchsichtig wird, scheinen die Wirkstoffe ihren Job erledigt zu haben. Mit einem Spachtel wird die nun gummartige Lackschicht auf den Flächen entfernt, die komplizierten Ecken mit Hochdruckreiniger. Sollte sich das Material nicht komplett anlösen lassen, einfach noch eine Nacht mit Abbeizer.
Sind der Lack und die Abbeizer-Reste (hochgiftig!) entfernt, kann es mit den Vorbereitungsarbeiten los gehen. Grobe Riefen oder Erhöhungen schleift man am besten mit 120er Körnung heraus und gönnt dem Teil dann auf den glatten Sichtflächen noch einen Durchgang mit 600er Körnung:
Darauf achten die Ecken nicht zu rund zu schleifen, am besten hilft hier ein Schleifblock. Ab jetzt übrigens bei jedem Schliff immer über Kreuz, also einmal von links nach rechts und einmal von oben nach unten. So verhindert man Schleifspuren die später durch die Lackierung noch zu sehen sein könnten.
Der Teil in der Mitte ist später nicht mehr zu sehen, hier kann man es etwas ruhiger angehen lassen. Wichtig sind die Sichtflächen. Sind alle Lunker ausgeschliffen, wird der Ventildeckel vom Schleifstaub befreit, am besten mit Druckluft. Mit Verdünnung etc dann entfetten und anschliessend mit Silikonentferner finalisieren. Nicht fusselnde Microfasertücher eigenen sich gut hierfür. Jetzt beginnen wir mit dem Lackaufbau!
Grundieren und füllern
Als Grundierung kommt eine Epoxydgrundierung aus der Dose zur Anwendung. Ob 1K oder 2K Produkt ist jedem selbst überlassen, 2K Produkte haben den Vorteil, dass sie lösungsmittelbeständig sind. Der Nachteil ist, dass die Dosen nach meistens 36 Stunden unbrauchbar sind. Bei allen jetzt folgenden Lacken übrigens darauf achten, dass Lack und Ventildeckel immer so warm wie möglich sind. Zimmertemperatur ist Pflicht, alles unter 15 Grad wird zu einem schlechteren Ergebnis führen!
Die erste Schicht EP Grundierung ist aufgebracht, nach kurzer Zeit durchgetrocknet. Jetzt treten Fehler in der Oberfläche zu Tage, die man vorher nicht sehen konnte:
Also besser nacharbeiten und dann nochmal grundieren. EP trägt man am besten sehr dünn auf, keine dicken Schichten! Dort, wo erneuert bis aufs blanke Alu durchgeschliffen wurde, erneut grundieren und dann aushärten lassen.
Als nächstes folgt der Füller. Da der zu restaurierende Ventildeckel in einem vergleichsweise guten Zustand ist, wäre klassisches Spachteln wohl wie mit Kanonen auf Spatzen zu schiessen. Die Oberfläche lässt sich mit einem Füller schneller und weniger staubig ausbessern.
Nach jedem Durchgang Füller wird der Deckel mit 1000er Schleifpapier nass geschliffen. Die Frage, wie oft man füllert, lässt sich relativ einfach beantworten. Als Faustregel gilt, dass alles was man jetzt noch an Unebenheiten oder Schäden sehen kann, später noch stärker zu sehen sein wird oder mindestens das Gesamtbild trüben wird. Die Anzahl der Füll-Durchgänge hängt also damit zusammen wie hoch der eigene Anspruch ist!
Der gezeigte Deckel ist drei mal gefüllert und jeweils nass geschliffen, bevor er zufriedenstellend aussieht:
Der dunklere Deckel ist nun für die Lackierung vorbereitet. Zu Übungszwecken wird der hellere Deckel herhalten, hier sieht man wie die Deckel aussehen können, wenn sie ein paar mehr Kilometer auf dem Buckel haben:
Viel feiner als mit 1000er Papier sollte man an dieser Stelle noch nicht gehen um die Haftung des Decklacks nicht zu gefährden. Sobald sich ein leichter Glanz einstellt, ist die Oberfläche bereit für den nächsten Schritt.
Decklack
Entfetten braucht man die Oberfläche nun nicht mehr, mit Silikonentferner sollte man schon noch kurz das ganze Teil reinigen. Jetzt kann es los gehen. Decklackprodukte sollten nun in 2K Qualität gewählt werden, da diese Flächen potenziell mit Benzin und Öl in Kontakt kommen werden. Wir nehmen hier beides, Decklack und Klarlack von Mipa.
Ein paar Worte noch zum gewählten Farbton. Von Mercedes selbst lassen sich leider keine eindeutigen Aussagen bezüglich des Farbcodes bekommen, auf Prospektbildern ist ein silbriger Farbton erkennbar. Die Altteile gehen von silber bis braun, je nachdem wieviel Hitze die Ventildeckel in ihrem Leben ertragen mussten. Leider also ein Ratespiel. Überlegungen zu McLaren Silber zu greifen haben wir verworfen, der Anteil an Flakes in Lack ist einfach zu hoch und wirkt unpassend. Wir nehmen daher ein normales 744 Brilliantsilber wie es auch bei den Alufelgen aus dieser Zeit zur Anwendung kam.
Gesagt getan, eine erste dünne „Klebeschicht“ wird aufgetragen, diese lässt man 15-20 Minuten lang ablüften um dann alles deckend zu lackieren:
Speziell an den Seiten aufpassen, zuviel Lack bedeutet häßliche Nasen. Diese lassen sich zwar noch ausschleifen, aber lieber Zeit lassen und im Zweifellsfall einen weiteren Durchgang lackieren. Ist das erledigt, sieht das Ganze so aus:
Kann man so machen! Ebenmäßiges Lackbild, keine Läufer, wunderbar. Spätestens jetzt sollte man dafür Sorge tragen die Umgebung so staubfrei wie möglich zu halten. Jedes Staubkorn, was sich jetzt oder später auf dem Ventildeckel ablegt, wird sichtbar sein und das Gesamtbild trügen! Das lackierte Teil wandert nun in die Nähe einer Heizquelle und darf 1-2 Tage aushärten. Dabei geht es nicht nur darum das der Lack trocknet, er muss zudem auch ausgasen. Auch wenn er trocken scheint und man weiter arbeiten kann, ist dies nicht gleichbedeutend damit, dass alle Lösungsmittel aus den (nun mehreren!) Lackschichten ausgegast sind. Bringt man ohne Weiteres direkt auf den staubtrockenen Decklack die Klarlackschicht auf besteht das Risiko, dass die Lackschicht einfallen könnte. Warum das speziell bei eine Ventildeckel gilt, erklärt sich im weiteren Verlauf.
Wie bei jedem Handwerk also auch, Zeit lassen, dem Werk Ruhe gönnen und sich später freuen. Oder so wie wir einfach einen weiteren Deckel in der Zwischenzeit beginnen! 😀
Klarlack
Bevor wir den Klarlack aufbringen noch ein Wort zur Veredlung der Oberflächen. Speziell bei Dosenlackierungen bleibt eine gewisse Orangenhaut nicht aus. Diese lässt sich durch weiteres Nassschleifen aber wieder entfernen. Es ist allerdings ein schmaler Grad zwischen einer glatten Oberfläche und dem Risiko, dass die nächste Lackschicht nicht genügend anhaften kann. Hier trennt sich die Spreu vom Weizen und nur Lackierer mit genügend Erfahrung können das Thema weiter auf die Spitze treiben. Wir haben uns dagegen entschieden, das Silber bereits nass zu schleifen.
Ähnlich wie beim Silber lackieren wir zuerst eine dünne, noch nicht deckende Schicht Klarlack. Diese darf wieder ablüften bis dann deckend lackiert wird:
Jetzt heißt es wieder warten, aushärten lassen. Eigentlich ist der Ventildeckel jetzt fertig. Er sieht gut aus, nicht perfekt, aber um Lichtjahre besser als vorher. Aber die Oberfläche sieht irgendwie noch nicht gut genug aus. Also was tun? Richtig, 1200er Nass und alles noch einmal glätten. Hierbei mehrfach Schleifen, den Deckel abtrocknen und auf verfehlte Stellen absuchen. Auf den Kanten aufpassen und nicht zuviel Material abtragen!
Auf dem ersten Fotos sieht man gut, wo noch besser geschliffen werden muss. Das Lackbild muss einheitlich sein und ohne porige Oberfläche. Hierfür aber wie gesagt das Teil abtrocknen! Je penibler man hierbei ist umso mehr Tiefenglanz wird die Oberfläche später haben!
Anschliessend abtrocknen, Silikonentferner und dann den finalen Anschuss mit Klarlack!
Kann man so lassen. Allerdings muss man im Hinterkopf haben, dass der M104 immense Wärme produziert. Die Oberfläche wird sich nicht in der Güte halten lassen, weshalb wir auf einen weiteren Nassschliff mit 2000er Körnung und anschliessender Hochglanzpolitur vorerst verzichten. Sobald der Ventildeckel ein paar Tage verbaut war und richtig gekocht wurde, kommt er noch einmal raus und wird seine finale Behandlung bekommen.
Verbaut macht er aber schon einiges her. Verbaut wird er natürlich mit feinen Schrauben und neuen Dichtungen.
Et voila:
Aber wer A sagt muss nunmal auch B sagen. Als nächstes gehts dem Luftfilterkasten und der Zündkabelabdeckung an den Kragen.
Alles Geschreibsel basiert übrigens auf eigens gemachten Erfahrungen, Verbesserungmöglichkeiten haben sich bei der Umsetzung schon ergeben. Das ganze ist also eher als Erfahrungsbericht und weniger als Anleitung zu sehen. Über Tipps wie man zu einem noch besseres Endergebnis kommen könnte freuen wir uns daher natürlich! 🙂
Mit Grüneck und Mipa stehen wir übrigens in keiner Verbindung!
