Mein zweites Laster, der gute alte W123 Mercedes, darf heute mal Modell stehen für eine Arbeit die in diesem Ausmaß nur bei sehr schlechten oder verpfuschten Autos ausgeführt werden muss. Entweder sind die Radhäuser über Jahrzehnte nicht gereinigt worden sodass angesammelter Sand und Dreck wie ein Schwamm für ständig vorhandene Feuchtigkeit sorgt oder die Reparaturen wurden so stümperhaft ausgeführt das es eine schöne Mischung aus beidem ist.
Mein 280CE Baujahr 1980 den ich 2011 aus erster Hand gekauft habe wurde leider die letzten 3-4 TÜV Perioden nur noch auf übelste zusammen gebraten und bekam so auch noch das H-Kennzeichen. Ausgangslage war die hier:
Auf den ersten Blick könnte man meinen das der Wagen doch total in Ordnung ist, schöner Lack auf dem Seitenteil, nichts was auf Rost schließen lässt. Leider war bis zur oberen Sicke kein Magnet imstande sich an dem Seitenteil festzuhalten was dafür spricht das eine fette Speckschicht unterm Lack wartet, Spachtel also in Hülle und Fülle. Ich wurde nicht entäuscht:
Mit einem Drahtzopf und einer Flex bin ich dann mal den Verlauf des Bleches entlang gegangen und sah danach dank dem blauen Spachtel erstmal aus wie Papa Schlumpf. Fängt ja gut an! Immer weiter vorgearbeitet eröffnete sich dann das gesamte Ausmaß der Katastrophe. Der alte Radlauf muss irgendwann das rosten angefangen haben und der Eigner sowie die Fachwerkstatt in Wuppertal dachten sich in ihrer unendlichen Weisheit den alten Gammel einfach drin zu lassen. Viel besser erschien es den Herren einfach ein Reparaturblech auf den Rost zu punkten und das ganze in Stellenweise 1,5cm Spachtel zu hüllen.
Mit einer kleinen Teilreparatur kommt man bei sowas leider nicht mehr weiter, hier muss alles raus, der Spachtel der auf dem gesamten Seitenteil wartete musste runter und die eben soviel heraus geschnitten werden bis wieder gesundes Blech zum Vorschein kommt.
Das tat ich dann auch, per Trennscheibe durfte der ganze Mist dann entfernt werden:
Das der Innenradlauf ebenfalls komplett durchgerostet war liess sich nur erahnen, war jetzt aber Gewissheit. Zu meinem Glück fand sich aber relativ weit vorne gesundes Blech an dem man ansetzen konnte. Ergo das passende Reparaturblech ergattert, angepasst und stumpf, also Blech an Blech verschweißt. Überlappend wäre an dieser ein schöner neuer Rostherd da das Wasser sich hier irgendwann den Weg zwischen die Bleche suchen würde.
Ist das Blech komplett eingeschweißt, die Nähte verfeilt und alles mehrfach grundiert geht es weiter, und nun wird es anspruchsvoller. Während man die Schweiss- oder Nähte am Innenradlauf später nicht mehr sehen wird so wird der Außenradlauf so etwas wie die Visitenkarte des Autos. Coupes haben riesige Seitenteile und jeder Makel an dieser Stelle würde das gesamte Ergebnis zunichte machen. Für diesen Schritt muss man sich also soviel Zeit wie möglich nehmen um sich im Nachgang nicht zu ärgern.
Angefangen habe ich damit das das alte Radlauf/Radlauf/Spachtel Konstrukt als Vorlage dient um das neue Blech grob anzupassen. Hierfür fixiert man das neue Blech am besten mit mehreren Gripzangen am alten Blech und arbeitet sich bis auf 0,5-1,0cm an das alte Blech heran. Hierfür kann man eine Flex mit groben Fächerscheiben in 60 oder 80er Körnung nehmen oder verrückte Werkzeuge wie Nibbler & Co. Ich arbeite am liebsten mit der Flex, muss aber jeder selbst entscheiden mit was er oder sie am besten klar kommt. Bei mir sieht das ganze dann so aus, man beachte die ganzen „Jahresringe“ des Spachtels:
Ist man soweit das der Radlauf grob angepasst ist gehts ans Auto zurück. Nun folgt die Arbeit die am meisten Zeit kostet, der Feinschliff und das anpassen an die Schnittkante des Seitenteils am Auto. Hierbei muss man wissen das jeglicher Spalt dafür sorgen wird das das Schweißgut nur auf einer Seite halt finden wird und daher das andere Blech, egal ob alt oder neu die kompletten 1000 Grad abbekommt. In Folge dessen verzieht sich das Blech mehr und es kann zu Wellenbildung kommen. Solche Wellen im Blech sind nur sehr schwer wieder heraus zu bekommen. Je grösser die Fläche ist umso höher ist übrigens das Risiko. Bei diesem Radlauf hat das anpassen gut und gerne 5 Stunden gedauert bis es so wie auf den nachfolgenden Bildern passte, auf einem Meter Länge rumzufeilen dauert seine Zeit:
So sieht das ganze dann aus wenn es fertig angepasst ist, der Spalt ist nur noch minimal und stellt einen beim Schweißen vor keine Probleme mehr, die Schweißpunkte werden sauber und genau mittig gesetzt sodass der Spalt am Ende komplett aufgefüllt ist. Zuletzt müssen beide Bleche noch 100% auf einander ausgerichtet werden, also beide Blech genau plan aneinander liegen, dann kann es los gehen! Ach nein, das Blech natürlich noch auf der Innenseite lochen damit wir es später mit dem Innenradlauf verschweißen können.
Punkt für Punkt arbeitet man sich nun vor, hierbei ist es wichtig die Punkte so zu setzen das sie immer so weit wie möglich von einander entfernt gesetzt werden. Zur einfacheren Erklärung, begonnen bei 9:00 Uhr (also ganz unten links) zu 3:00 Uhr (unten rechts), dann einen Punkt oben. So verhindert man das zu viel Hitze in das Blech eingebracht wird und es zu Wellenbildung kommt. Lecker Schweißpunkte!
Auch hier dauert es gefühlt ewig bis alles verschweißt ist, dann folgt der Innenradlauf:
An dieser Stelle ist der Tag dann vorbei und die Konzentration weg, daher habe ich erst am nächsten Tag weiter gemacht. Bewaffnet mit der Flex und feineren Scheiben als am Vortag, eher Richtung 200 gehend sowie einer Druckluftbandfeile mit 1cm breiten Bändern in grober Ausführung geht es ans Werk.
Mit der Flex werden die Schweißpunkte grob verfeilt, dann folgt die Druckluftbandfeile für den mittleren und den Feinschliff. Wichtig hierbei ist lieber ein weiteres mal über die Schweißpunkte zu gehen als zu viel Material ab zutragen.
Auch hier gehen wieder viele Stunden bei drauf, das Ergebnis entlohnt aber in jeder Hinsicht:
Kleinere Dellen bleiben nicht aus, hier wird aber später der Lackierer noch das Seitenteil komplett verschwemmen, sprich die Schweißnaht mit Zinn auffüllen und anschließend nur minimal Spachtel benötigen bevor lackiert werden kann. Da durch das schweißen der umliegende Lack verbrennt wird von der Innenseite her alles mit verdünnter Grundierung, gerne mit Owatrol gemischt, solange bis der neu gebaute Falz vollständig gesättigt ist und keine Farbe mehr aufnimmt. Nun ist er zumindest von innen wieder sehr gut gegen neue Korrosion geschützt.
Alles in allem dauert eine solche Instandsetzung gerne 12 Stunden und länger, abhängig davon wie gut man ausgestattet ist. Ein Fachbetrieb schafft dies sicher an einem Tag. Daher kann man sich auch relativ einfach ausrechnen was man erwarten kann wenn beispielsweise 50,00€ netto pro Arbeitsstunde ansetzt. Davon mal ab das ein Karosseriebauer normalerweise nicht zu solchen Konditionen arbeitet wären es aber in diesem Beispiel schon 600,00€ ohne Mehrwertsteuer.
Hierin liegt dann auch der Grund warum es sich kaum lohnt stark gammelige Youngtimer zu restaurieren, ausser man erbringt soviel Eigenleistung wie möglich. Also, wenn di Möglichkeiten zum selberschrauben begrenzt sind, lieber weiter Ausschau halten!
~Sebastian
