Restauration S124 Heckklappe

Restauration S124 Heckklappe

Nachdem wir anfang des Jahres bereits einen Artikel über die Seitenscheibenrahmen des S124 geschrieben haben ist es an der Zeit eine weitere neuralgische Stelle anzugehen. Die Restauration der Heckklappe! Da wir uns bei jedem Auto die Restauration in Teilbereiche zerlegen und einzelne Arbeitspakete schnüren folgt auf den nächsten Seiten etwas umfangreicher der gesamte Arbeitsumfang bei einem T-Modell.

Was ist zu tun

Wie bei jedem Kombi, egal welcher Hersteller, zerfallen irgendwann die Heckklappen zu Staub. Dies ist konstruktionsbedingt und liegt daran das durch die Karosserieform Spritzwasser nicht über das Heck hinaus fliegt wie bei einem Stufenheck. Vielmehr wird es die Karosserie entlang gedrückt und nimmt dabei stets alles an Dreck mit was zu holen ist. Nach 20-25 Jahren kollabiert dann die Lackschicht unter den Zierleisten, Gummis und Griffen. Das Blech ist zum Verfall freigegeben. Das Ergebnis hat jeder Kombijünger spätestens bei der Suche nach einem geeigneten Auto mehrfach ertragen müssen. Viele Stellen am Heckdeckel (Daimlersprech: Rückwandtür) blühen munter vor sich hin.

Im Falle unserer Foto-Patienten kommt erschwerend hinzu dass es sich um ein spätes Modell aus der letzten Serie handelt. Die Wasserlackthematik sorgt für weitere Stellen und machen die verbaute Heckklappe leider zu einem Fall für die Presse. Findige Vorbesitzer hatten sich übrigens gedacht den Rost mit schwarzem Dosenlack zu stoppen. Ziel verfehlt, hier hilft nur noch der Austausch.

Vorbereitungen

 

Gesagt, getan. Mit dem Wissen das eine neue Klappe her muss sondieren wir den Markt. Neu bei Mercedes aktuell für knappe 618€ zu bekommen entscheiden wir uns für ein Gebrauchtteil.

Wichtig hierbei: Ab Modellpflege 1993 kommen die Kombis mit Infrarotschliessanlage. Diese Modelle haben dann einen Infrarotempfänger am Heckdeckel welcher einer zusätzlichen Öffnung bedarf. Kann man auch selbst hineinschneiden, ist aber sehr fummelig. Die neue alte Klappe wird bis auf die letzte Schraube zerlegt und auf Rost inspiziert. Auch hier werden wir fündig und behandeln die Stellen mit Winkelschleifer und Brantho Korrux Nitrofest. So vorbereitet kann die Klappe zum Lackierer und auf beiden Seiten in frisches 744 Brilliantsilber gehüllt werden. Die Schrauben und Montageteile behalten wir übrigens nach Möglichkeit, vieles davon kostet mittlerweile eine Menge Geld. Damit kämen wir auch zum nächsten Punkt.

Einkauf der Ersatzteile

Jetzt wird es nochmal tricky und schmerzhaft. Warum? Weil wir das gezeigte Auto restaurieren und nicht nur instandhalten wollen. Das bedeutet das wir alles um- und/oder auf dem Weg liegende ausbauen und bei Nichtgefallen ersetzen. Der Aufwand eine neue Klappe zu verbauen ist nicht ohne weshalb wir nicht auf halber Strecke aufhören. In letzter Konsequenz bedeutet dies das wir alles ersetzen was nachträglich nicht mehr erreichbar ist oder unsere Arbeit bald zunicht machen würde. Namentlich genannt: Karosseriedichtungen und Leitungssätze. Die Gummis der Heckscheibe und des Deckels am Rahmen der Karosserie haben es einfach hinter sich. Leider sind beide Dichtungen schon dreistellig und Schlagen mit guten 240€ zu buche, autsch. Der grosse, linke Kabelbaum ist berüchtigt für seine Anfälligkeit im Scharnierbereich. Hier brechen nach Jahrzehnten der monotonen Bewegung die Isolierungen der Kabel auf und der Elektrowurm spielt lustige Streiche. Ausgefallene Kennzeichenleuchten, tote oder stromziehende Zuziehhilfen sind die Folge. Reparaturlösung mit gecrimpten Silikonkabeln? Danke nein, wir besorgen hier ebenfalls ein Neuteil. Weitere 129€ sind fällig.

Zu guter letzt noch Klippse, Schrauben, Halter und wir sind gut gerüstet! Für die Montage natürlich wie immer die üblichen Verbrauchsmaterialien bereit halten: Vaseline, Fluidfilm, WD40 etc. Dann kann es losgehen!

PS: Der gezeigte Kandidat hatte schon neue Heckklappendämpfer erhalten, ist das noch nicht geschehen ist dies der beste Zeitpunkt dafür!

Vormontieren der Heckklappe

Zuerst holen wir das frisch lackierte Teil vom Lackierer ab. Ist das herrlich! Alle Altteile marschieren jetzt wieder an ihren Platz. Zuerst die Heckscheibe, den Falz dafür schmieren wir kräftig mit Vaseline ein. Hiermit stellen wir sicher das im Falz erstmal kein Wasser mehr wüten kann und die Montage geht um einiges leichter vonstatten. Die Scheibe in die Dichtung gesteckt und mit einem stabilen Haken, beispielsweise dem Spezialwerkzeug der Handbremse die Lippe über den Falz ziehen. Den neuen Zierrahmen auch mit Vaseline ansetzen.

 

 

 

 

 

 


Den Kabelbaum wickelt man am besten in Kreppband und bestreicht den Prügel dann mit Vaseline, so findet das Teil relativ schnell seinen Platz. Die Gummitüllen sind nicht mehr lieferbar, daher die alten ordentlich reinigen und mit Vaseline wieder flexibel machen. Dem rechten Kabelbaum unbedingt einen neuen Wischwasserschlauch mit auf den Weg geben, so einfach kommt man dort nie wieder heran! Sind beide Tüllen wieder über die Kabelbäume gestülpt machen kann man noch die Anbauteile verbauen. Alles was man vorbereiten kann sollte man jetzt verbauen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ausbau der alten Klappe

Wie bereits vom Austausch der Heckklappendämpfer bekannt müssen alle Himmelverkleidungen erstmal raus. Vorher die Batterie abklemmen, an der Brücke mit den Leitungsverbindungen steht Dauerplus für die Zuziehhilfe an! Alle 12 Leitungen herausschrauben (13 wenn mit dritter Bremsleuchte) und auf der der anderen Seite ebenfalls alle Verbindungen kappen. Nun das Gestrüpp aus den Holmen nach aussen ziehen, die Klappe ist damit frei. Schnell noch die Position der Klappe fotografieren und Spaltmaße vermessen! Mit einem Helfer nun die 4 Schrauben (SW13) lösen und das malade Altteil vom Auto heben. Dachkante, Holm und die Höhle der Heckklappendämpfer sind nun gut zugänglich, daher bietet sich eine ausgiebige Reinigung dieser Bereiche an.

Die Dichtung der Heckklappe

Bevor wir die neue Klappe montieren widmen wir uns aber noch einem weiteren Rostherd. Unter der karosserieseitigen Heckklappendichtung gammelt es leider auch nur zu gerne. Die Ecken links und rechts daher genauestens untersuchen sobald die Dichtung entfernt ist. Lugt es in den Ecken links und rechts braun hervor: Laderaumzierleiste entfernen und entrosten, anschliessend neuer Lackaufbau! Versäumt man dies kommt die Stelle irgendwann später, dann darf man die recht teure Dichtung wieder zerreißen.

Die neue Dichtung kleben wir mit einem handelsüblichen Kleber von Pattex ein. Tut euch selbst einen Gefallen und nehmt einen klaren Klebstoff, nur für den Fall das man es mal etwas zu gut gemeint hat. Andernfalls quillt die gelbe S0ße an den Seiten raus, was nicht so schön aussieht.

Ist die Dichtung verklebt kann es los gehen, den Helfer aktivieren und die Klappe zu zweit aufs Auto heben. Eine Decke oder dickes Handtuch am Dach zu platzieren ist wärmstens zu empfehlen! Zuerst die beiden Kabelstränge durch die Holme ziehen und im Innenraum frei hängen lassen. Die Schrauben nicht allzu fest anziehen, gerade so das man den Deckel noch verschieben kann. Passen die Spaltmaße Klappe vorsichtig öffnen und festzurren. Schrauben mit übrig gebliebenem 744 lackieren. Übrigens nicht wundern das es mit den Spaltmaßen nicht beim ersten mal passt. Die neue Dichtung ist so kräftig das es gerne ein paar Tage dauert bis sie sich gesetzt hat. Hier also ggf. noch einmal nacharbeiten.

Auf die Zielgerade!

Nun die Anbauteile wie Heckwischer, Zuziehhilfe etc montieren und anschließen. Der Kabelbaum passt eigentlich jeweils nur eben da wo er hin gehört. Aussen noch Stern und Griffe sowie die Kennzeichenleuchten montieren, dann kann man den ersten Funktionstest der Elektrik machen.

 

 

 

 

 

Für diejenigen die es auf die Spitze treiben wollen gibt es zudem noch die Möglichkeit unter den Griffen eine Kratzschutzfolie zu platzieren. Bei anderen Fabrikaten wie Volvo ist dies Usus. Hiermit werden Scheuerstellen heraus gezögert sodass an einem so behandelten S124 eigentlich nie wieder Rost auftreten dürfte. Zu beziehen unter anderem bei Polo im Motorradbedarf . Zuschneiden einfach auf der alten Klappe nachdem sie demontiert wurde. So kann man mit dem Skalpell auch etwas beherzter umgehen ohne das man sich sorgen um den Lack machen muss.

 

Übrigens, die Hülsen für die Kennzeichen presst jeder Mercedes Händler für ein paar Euros in die Kaffeekasse schnell ein. Kennzeichen montieren, ab in die Waschstrasse um das Heck auf Dichtigkeit zu prüfen.

Gibt es nichts zu beanstanden sorgen wir noch dafür das es nie wieder soweit kommt mit dem Rost. Mindestens eine Dose Fluidfilm versenken wir in der Klappe, vorher die Abläufe auf der Unterseite provisorisch verschließen. Andernfalls gelangt das Fluidfilm auf die neue Dichtung welche dann wellig wird.

Fertig, nun freut man sich wieder den Kombi beladen zu können! Der finanzielle Aufwand ist knapp vierstellig, kommt aber dem Werterhalt sehr zugute! Auch kann so auch viel besser schlafen, der Gegenwert ist also viel höher! 😀

Viel Spaß beim nachmachen!

 

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