Verdampfer Klimaanlage und Wärmetauscher erneuern – W124
Wer hat auf der Suche nach einem neuen Projekt den Satz noch nicht gelesen: „Klimaanlage muss nur neu befüllt werden“. Das trifft meistens zu, Dinge nicht zu erzählen ist ja kein lügen. Nur muss halt auch meistens (immer?) auch vorab noch ein bisschen etwas getan werden damit die Füllung sich nicht sofort wieder in Luft auflöst. Dabei gibt es einfache Fälle wie wie zerschossene Kondensatoren, was häufig auftritt und überschaubaren Aufwand darstellt. Undichte Kompressoren sind schon nicht mehr ganz so häufig und nervig, da nur von unten zugänglich. Oder rissige/poröse Leitungen, was auch nervig da teilweise nicht im Sichtbereich verlaufend.
Aber was ist wenn all diese Punkte bereits ausgeschlossen werden konnten? Tja, in solchen Fällen kapitulieren die meisten Eigner. Denn was dann ansteht ist nichts für schwache Nerven. Ist durch Kontrastmittel oder Formiergas sichergestellt dass das Kühlmittel durch den Lüftungskasten entschwindet gibt es nur noch einen übrig gebliebenen Übeltäter:
Den Verdampfer. Versteckt hinterm Armaturenbrett ist das so ziemlich der Endgegner. Hierfür muss alles im Innenraum unterhalb der Windschutzscheibe ausgebaut werden.
Kurz noch die schnittfreien Hände bewundert und los gelegt. Die werden bald anders aussehen…
1. Welche Ersatzteile ?
Wie bei allen komplexeren Reparaturen am W124 gilt auch hierbei, je höher der Aufwand umso eher sollte man oben ins Regal greifen. Sprich, Original oder mindestens OEM Qualität. Die Arbeit will man kein zweites mal machen. Was sollte man also idealerweise kaufen?
- Verdampfer
- Wärmetauscher
- Trocknerpatrone
- Expansionsventil
- Alle O-Ringe
- ggf neue Filter für den Lüftungskasten
- Doppellüfter, sofern verhaltensauffällig
Sowohl Verdampfer als auch der Wärmetauscher der Heizung sind aus Alu gefertigt. Im ewig feuchten und moderigen Klimakasten sitzend korridieren irgendwann die feinen Röhrchen und werden dadurch undicht. Der Wärmetauscher sitzt vor dem Verdampfer und wird im gleichen Atemzug mitgetauscht.
Die O-Ringe bestellt man am besten nach Fahrgestellnummer beim örtlichen Daimler Vertreter. Alles andere umgeschlüsselt und dann im Netz bei den üblichen Verdächtigen, motointegrator/daparto/ebay & co.
2. Zerlegen des Autos
Lenkrad, Holz, Tacho, alles schon mal raus und beiseite legen. Danach Heizungsregelung freilegen, Radio raus.
Jetzt Mittelkonsole und Lautsprecher.
Nun das Armaturenbrett, und man kann den Kasten schon in seiner vollen Pracht erahnen.
Zündschloss aushängen und die Querstrebe lösen. Jetzt holt man am besten erstmal Bier oder Schnaps.
Während man die Eindrücke und den Alkohol auf sich wirken lässt fotografiert man am besten alles aus so vielen Winkeln wie möglich. Der komplizierte Part folgt jetzt.
Die Unterdruckanschlüsse sind farblich markiert, die Bowdenzüge passen von den Längen her eigentlich nur an einem Ort, dem richtigen. Trotzdem hilft es einem später bei der richtigen Zuordnung. Fast vergessen, die seitlichen Luftführungen müssen auch ausgebaut werden.
3. Den Klimakasten ausbauen und zerlegen
Ist der Kasten freigelegt kann er ausgebaut werden. Innen rechts und links jeweils mit 2 SW13 Muttern an der Spritzwand verschraubt, eine weitere findet man oben auf dem Getriebetunnel. Im Motorraum rechts an den Steuergeräten gehts dann weiter. Hier löst man beide Leitungen des Wärmetauschers. Neben dem Bremskraftverstärker sind 3 Leitungen, 2 vom Verdampfer und eine weitere Kühlwasserleitung.
Jetzt ein wenig beherzt an dem Kasten rütteln und man kann ihn an den ganzen Leitung vorbei fädeln.
So sieht der Kerl dann aus:
Um an die beiden Teile heran zu kommen schraubt man den Kasten dann auseinander bzw entfernt die ganzen Klammern. Zum Vorschein kommen ein leicht siffiger Wärmetauscher und ein endfertiger Verdampfer:
Man erkennt wo das Problem eigentlich anfängt. Der Ablauf unterhalb des Klimakastens ist irgenwann derartig verstopft das der Dreck der dort hinein gelangt nicht mehr abfließen kann. Ein starker Regenguss reicht und die Suppe schwappt rüber in den Wärmetauscher und den dahinter liegenden Verdampfer. Die Lamellen aus Alu verkleben, bleiben ständig feucht und am Ende sorgt Korrosion für den Rest.
Der Versuch einer der Vorbesitzer der Undichtigkeit mit Kontrastmittel auf die Schliche zu kommen ist daher nachvollziehbar. Leider sind die Kästen beim W124 so aufgebaut das man eine Undichtigkeit dort nicht erkennen kann. All die Stellen auf denen das Kontrastmittel zu sehen ist sind nur beim zerlegen zugänglich. Ergo hilft bei der Fehlersuche nur Formiergas und ein entsprechendes Gerät zur Gas-Detektion. Möchte euch eine Werkstatt mit etwas anderem abspeisen, umdrehen und gehen!
Genug schwadroniert, reparieren wir das Desaster.
4. Austausch der defekten Teile
Angefangen wird mit dem Wärmetauscher. Bevor man den alten entsorgt unbedingt auf die kleinen Plättchen acht geben an denen die Kühlwasserrohre verschraubt werden. Diese sind leider auch bei den als Premium deklarierten Teilen von Hella nicht dabei.
Neue O-Ringe sind Pflicht, damit dann den neuen Wärmetauscher montieren. Vorher die beiden Schaumstoff-Klebestreifen wie beim Altteil aufkleben:
Nicht vergessen die Dichtung zur Spritzwand wieder über die beiden Rohre zu stülpen. Step eins erledigt. Weiter geht’s mit dem Verdampfer:
Zuerst montiert man die Dichtung zur Spritzwand. Anschließend kommt das Expansionsventil mit neuen O-Ringen dran:
Das Paket stopft man dann wieder in den Kasten zurück:
Deckel drauf, fast fertig. Die Kondenswasserabläufe auf der Unterseite sind meistens auch marode. Diese erneuert man am besten gleich mit:
Bevor man jetzt mit dem Einbau beginnt nutzt man die Tatsache daß man nur jetzt an viele Ecken heran kommt. Ausgiebig schrubben sollte man den Bereich unter dem Doppellüfter sowie das Abteil für Steuergeräte und Batterie:
Den Ablauf unterhalb des Wischers erneuert man am besten:
5. Der Einbau
Den Kasten an den ganzen Leitungen und Kabeln vorbei zu mogeln ist gar nicht so einfach:
Nun den neuen Doppellüfter einbauen, oben drauf dann frische Innenraumfilter:
Etwas biegen an den Leitungen kann nicht schaden um diese durch die Spritzwand zu bugsieren. Den Kasten an seinen 4 Punkten verschrauben. Dann gehts weiter im Motorraum. Zuerst bekommt der Wärmetauscher seine Leitungen verbunden:
Auf der Fahrerseite muss man leider etwas mehr Aufwand betreiben. Die große Leitung zum Expansionsventil muss zerlegt werden damit man genügend Spielraum hat.
Hierbei hilft es die Unterdruckleitung vom Bremskraftverstärker zum Ansaugrohr ebenfalls zu lösen. Neue O-Ringe verstehen sich von selbst, mit etwas Vaseline bestrichen finden diese übrigens einfacher ihren Sitz.
Jetzt kommt die neue Trocknerpatrone dran. Mit einem neuen Schalter für die E-Lüfter sowie einem neuen Druckschalter versenken wir die kleine Granate vor dem ABS Block. Neue O-Ringe auf die Leitungen, Stecker verkabeln, fertig!
6. Innenraum zusammensetzen
Zeit das Chaos wieder zu beseitigen! Die Lüftungsöffnungen im Armaturenbrett rutschen nur ungern wieder auf den Klimakasten. Hier hilft es etwas Vaseline aufzutragen, die Dichtungen rutschen dann einfach besser in ihre Position:
7. Anlage befüllen
Alle Klappen und sonstigen Funktionen der Mittelkonsole gut testen, ggf. nacharbeiten. Dann Dichtigkeit der Klima erneut testen und sofern dicht, endlich die Befüllung ins System! Neben dem Neubezug des Cabriodachs ist dies bisher die aufwendigste Arbeit die wir durchgeführt haben. Wir hoffen die Bilder geben einen kleinen Ausblick auf das was einen erwarten kann. Ggf. erklären sie auch warum wenige Werkstätten auf diese Arbeit Lust haben und wenn doch, die Preise dafür entsprechend gesalzen sind.
In Summe gehen inkl Fehler ausmerzen (nicht korrekt verlegte Kabelstränge oder falsch bestellter Teile) eine gute Woche mit 35 Stunden für dieses Projekt drauf. Das hochgerechnet mit Arbeitslohn und Materialkosten landet zusammen gut und gerne Gesamtkosten von 3-4.000€.
Bei Fragen gerne melden info@wagen124.com oder auf Instagram/facebook…
