W124 W201 W210 S210 W202 S202 Einarm-Wischergetriebe abschmieren

W124 W201 W210 S210 W202 S202 Einarm-Wischergetriebe abschmieren

Sogut wie jeder W124 Pilot wird das Problem kennen, irgendwann fängt das Prunkstück schwäbischer Ingenieurskunst an langsam aber sicher seinen Dienst zu quittieren. Anfänglich fallen die einzelnen Intervallstufen aus, angefangen mit der höchsten Stufe, bis irgendwann auch im normalen Modus nur noch langsam und abgehakt das Wasser von der Scheibe gezogen wird.

Gerne wird nun die Welle des Wischergetriebes mit allen erdenklichen Schmiermitteln bearbeitet, von WD40 bis hin zu Rostlösern. Leider kann man sagen das hier nichts mehr helfen wird ausser den Wischer auszubauen und komplett neu abzuschmieren. Hiermit wollen wir uns hier etwas ausgiebiger beschäftigen!

Grundsätzlich ist zu sagen das es scheinbar drei verschiedene Versionen am W124 gab, die an Mopf 0 bis 1 welche durch ein massives Alugehäuse und einer Richtung Windschutzscheibe gerichteter Nut auf der Welle zu erkennen ist. Für die Mopf Zwitter Modelle gab es dann eine Ausführung mit grosser Dichtung um den Wischer herum bis hin zu den A-Säulen. Das Gehäuse war hier noch komplett aus Aluminium. Ab Juni 1993 kamen dann „verbesserten“ Varianten zur Anwendung, zu erkennen an einem Plastik- anstelle des Aludeckels sowie einer Richtung Motor zeigenden Nut auf der Welle. Welche nun die bessere ist, hierüber lässt sich vozüglich streiten. Die Version ab Mopf2 hat den Vorteil das der Plastikdeckel im montierten Zustand entfernt werden kann und man so das gröbste erledigen kann. Davon ausgehend das man ein frisch gereinigtes und gefettetes Getriebe nur alle paar Jahre auf Verschleiss und Schäden prüfen sollte könnte man nun sagen dass die Plastikvariante etwas billig wirkt im Vergleich zur Alu-Variante. Letztere lässt sich übrigens vorzüglich pulverbeschichten oder lackieren, die verblichenen Plastikteile sind ab einem gewissen Verfallsgrad nur noch ein Fall für die Mülltonne. Wie so häufig aber eine Geschmacksfrage, ich bevorzuge die Alu-Variante der qualitativen Anmutung und der Möglichkeit ihn komplett ohne Neuteile instandzusetzen. Sustainability sozusagen 😉

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Zum Ausbau des Wischers sind je nach Modellpflege die Schmutzabweiser auf der Windschutzscheibe unten zu entfernen, bei Mopf 0-1 sind diese als separate Teile ausgeführt, bei Zwittern und Mopf2 sind diese in die Dichtung des Getriebes integriert.

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Als nächstes alle Kreuzschlitzschrauben entfernen und die Kunststoff-Rädelschrauben hinterm Motor an der Spritzwand entfernen. Je nach Motor kann dies mehr oder weniger spassig sein, beim M104 (280/300/320) gehts schon verdammt eng zu.

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Jetzt sollte die komplette Einheit vor uns liegen und nur noch durch 5x 13er Muttern gesichert sein, diese entfernen und den Wischer von der Stromversorgung trennen. Der Wischer lässt sich nun aus seiner Mulde heben, vorsichtig das man hierbei nicht mit dem Wischerarm an der Motorhaube für unschöne Lackschäden sorgt. Wer auf Nummer sicher gehen will entfernt an dieser Stelle schon den Wischerarm, Plastikkappe hochklappen und die Inbus-Schraube lösen und komplett (!!!) herausnehmen. Andernfalls bleibt der Wischerarm wo er ist.

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Nun gehts an das Zerlegen, angefangen mit einer 17er Mutter auf der Rückseite. Danach folgen verschiedene Unterlegscheiben welche man am besten in der Reihenfolge des Ausbaus beiseite legt und vorher mit Verdünnung etc reinigt. Das Gestänge des Wischer nun von der Welle heben, hierbei mit Gefühl vorgehen da fein verzahnt. Wenn es jetzt wie auf dem unten gezeigten Bild aussieht sind wir fast am Ziel:

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Über die Jahre wird die Welle sich stark an ihre Position gewöhnt haben und diese nur ungern verlassen, daher mit Gefühl und leichten Hammerschlägen auf die Welle das Gehäuse aus der Verzahnung schlagen. Hier wirklich sehr vorsichtig arbeiten damit das Gewinde oben keinen Schaden nimmt! Irgendwann kommt auch die widerspenstigste Welle (den O-Ring sichern, keine Verdünnung zum reinigen!) und wir können den Wischer öffnen. Nun lässt sich das Ausmaß des Übels betrachten:

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Das Fett ist meist komplett ausgehärtet und oftmals schon verdreckt, nicht selten finden Pollen und Laub ihren Weg in das Getriebe. Man kann den Wischer bis auf die letzte Schraube zerlegen, ich würde es davon abhängig machen ob man alles gereinigt bekommt oder nicht. Mit einem Pinsel und einem lösungsmittelhaltigen Reiniger eurer Wahl wird nun alles, wirklich alles an altem Fett entfernt.

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Wenn alle Teile restlos sauber sind schmieren wir die Teile gemäß dem Motto „Viel hilft viel“ mit Castrol LMX Li-Komplexfett. Dieses Fett wird ua. von Mercedes ab Werk für die Radlager und hat eine entsprechende Freigabe (MB 265.1) für hochbelastete Lager. Für unsere Zwecke schon fast zuviel des Guten, allerdings kostet es nicht viel und ist bei ATU für 7,49€ zu kaufen. Mercedes selbst verkauft es unter der Teilenummer A002989005110 für den gleichen Preis, allerdings auch mit der Hälfte an Inhalt. Einfach online abfragen und vorbei fahren, ist mir häufig lieber als 2 Tage auf ein Online erstandens Produkt zu warten! Jetzt können wir das Gehäuse wieder zusammen setzen.

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An dieser Stelle folgt ein letzter Fallstrick welcher gern für unnötige Mehrarbeit sorgt, die Nullpunktlage des Wischers. Schraubt ihr alleswieder zusammen ohne vorher zu prüfen wo der Wischer im eingebauten Zustand zum Stillstand kommt kann es gut und gerne passieren das er eben unterhalb der Windschutzscheibe zum halten kommt.Die frühen Wischer-Modelle verfügen über eine Markierung die leider später weg rationalisiert wurde:

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Beim Festziehen des Gestänges auf der Welle darauf achten das sich die Nullpunktlage nicht verstellt.

Zuletzt noch den Dreck von den aussenliegenden Gelenken entfernen und ggf. nachfetten, dann kann der Wischer wieder verbaut werden. Bitte nicht wundern wenn alle Intervallstufen noch nicht sofort wieder kommen, das Fett im Wischer muss sich häufig erst verteilen und alle Bauteile wieder einarbeiten. Entweder man lässt den Wischer ohne Arm ein paar Minuten laufen oder lässt es einfach im Alltag geschehen.

Der Ablauf beim kleinen Bruder, dem W201 ist im übrigen der gleiche. Der Ausbau ist allerdings etwas frickeliger da weniger Platz, aber mit etwas Geduld kein Problem.

Wir hoffen es hilft dem einen oder anderen, viel Spass beim nachschrauben!

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